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Wache schon um 4:45 Uhr auf und schreibe meinen Blogartikel von gestern fertig. Obwohl Dr. Gopika sagte, an den großen Bastitagen solle man kein Yoga machen, mache ich mich fertig – weil sich mir die Logik nicht erschließt. Yoga ist VOR der Prozedur und soll den Körper entspannen. Wanda, die ich während meiner Anwendung vorgestern danach gefragt hatte, konnte das auch nicht verstehen. Hat sie noch nie gehört.

Dann aber gibt es doch eine Planänderung. Dr. Maya hat gestern Abend angeordnet, dass ich erst Morgen wieder mit dem großen Basti dran bin. Heute nochmals der kleine – ich frage mich, ob das mit meinen Blutwerten zusammenhängt, die angekommen sein müssten. Muss ich sie mal fragen. Sie hatte mir sogar nach 22 Uhr abends noch geschrieben, aber da ich da schon längst selig geschlafen hab und morgens nicht gleich an WhatsApp renne (oh Wunder :-)) hab ich das noch garnicht mitbekommen. Wie schön: Dann steht heute ja ein entspannter Tag an.

Die Mittagessensrunde ist mittlerweile echt klein – oft sind wir nur zu dritt. Hoffe ja sehr, dass das nicht einschläft. Aber wir sind wacker. VJ bekommt langsam einen Lagerkoller glaub ich. Sie zählt die Tage, bis sie nach Hause kann. Mir gefällt es hier. Keine Verpflichtungen, ich bekomme genug körperliche und seelische Nahrung (Massagen und Ayurvedakost) und kann meinem Lieblingshobby nachgehen: Weiterbildung. Die indische Geschichte und Kultur fasziniert mich schon sehr. So abwechslungs- und traditionsreich. Ich ertappe mich manchmal dabei, dass ich mir Sorgen um die westliche Welt mache, wenn ich sehe, wie das Bildungssystem hier aussieht und wie hochqualifiziert die Kids hier aufwachsen. Hier wird gelernt und studiert, auch weil man es den Eltern „schuldig“ ist – die bezahlen ja dafür und die Eltern werden hier extrem hochgehalten.

Ja gut, die wählen ja sogar die Ehepartner aus. Ich hatte mal eine Doku gesehen, da ging es um eine besondere Art des Kopfrechnens, die es in Indien gibt und mit denen die indischen Kinder auch regelmäßig Kopfrechenmeisterschaften gewinnen. Es ist alles sehr anders hier – aber schön irgendwie. Wobei ich ja nur auf der Durchreise bin – ich habe nur das riesengroße Glück, dass ich VJ als Nachbarin habe, die ja quasi ein wandelndes Lexikon ist und ich dadurch wahrscheinlich mehr von indischer Geschichte und dem Hinduismus mitbekomme als die meisten Menschen im Leben. Genieße das sehr.

Nach meinem Vasti (heißt Vasti, nicht Basti – hab das heute mal geklärt, weil der eine so der andere so sagt – also Einläufe heißen Vasti ;-)) muss ich ja eh liegen und da fange ich mal mit dem Bhagavadgita – kurz „Gita“ an: Harte Kost. Geschrieben von S. Radhakrishnan, der nicht nur ein Intellektueller ist (und auch so schreibt), sondern auch Indiens Premierminister war. 87 Seiten Einführung, ich komme nicht weiter als Seite 9 – und ohne Deepl wo ich dauernd nachschlagen muss geht garnix. Diese Art von Lesen mag ich echt überhaupt nicht, aber da muss ich wohl durch, wenn ich mehr von Kultur und Religion hier verstehen will. Im Grunde ist es das indische Pendant zum chinesischen I Ging (das ja auch nicht einfach zu lesen ist) und irgendwie auch ein Stück weit zur Bibel. Am Ende geht es immer darum, wie wir die Zeit auf Erden möglichst schadfrei für andere auf der Suche nach unserem höheren Selbst verbringen – also so in etwa :-)).

Abends spielen wir wieder Karten nach dem Lunch, aber irgendwie fehlen Jagi, Rachel und Marta. Bei uns geht es sehr zivilisiert zu auf dem Tisch.

Habe mich heute übrigens mal als Matchmaker versucht und Aman gesagt, dass er und Jagi super zusammenpassen würden :-)). Denke, die beiden mögen sich sehr. Wäre kein Problem, wenn er in Deutschland wäre, aber in Indien gibt es Hürden … große… sehr große Hürden:

  1. Sie ist 31, er 25 -> NoGo hier
  2. Sie lässt sich gerade scheiden -> Doppel-NoGo hier
  3. Sie hat schlechte Erfahrungen gemacht -> schwierig für eine Partnerschaft

Er meint, wenn er unbedingt wollte, müsse er seine Eltern davon überzeugen – und sehr sehr viel Überzeugungsarbeit leisten. Denke ja ehrlich gesagt, das wird nix – er ist der Älteste von 3 – die Erwartungen der Eltern sind grenzenlos und dessen ist er sich bewusst. Schade. Aber zu seiner Hochzeit bin ich eingeladen – er will mir sogar seine Kandidatinnen schicken, die ihm seine Eltern ausgesucht haben :-). Aber vorerst konnte er sie noch vertrösten. Frühestens Ende nächsten Jahres geht die Brautsuche los. Hier gibt es sogar extra Apps dafür, da bietet man sein Kind an wie auf einem Marktplatz – also quasi Tinder für Eltern – und dann wird fröhlich nach rechts und links gewiped für gut oder nicht gut. Mag sich für westliche und liberale Ohren erst mal sehr befremdlich anhören, aber da ich seit 3 Wochen ganz tief hier in die Thematik eingetaucht bin, fühlt es sich ehrlich gesagt garnicht mehr so falsch an wie am Anfang. Die zu Verheiratenden haben ja trotzdem die Auswahl – und dürfen sich auch ein paar Mal treffen vor der Hochzeit, um sich kennenzulernen. Klar dass sie hier nicht in die Kiste hopsen. Das machen wohl nicht mal die Jungs vor der Ehe – das hatte mich schon beeindruckt. Wenn man die Auswahl also nicht möchte, geht die Suche halt weiter. Wichtig sind neben dem Zusammenpassen laut Horoskop auch die finanzielle und soziale Stufe – wenn die zu weit auseinanderklaffen, dann würde es unnötig problematisch werden. Verstehe ich. Und für die ganze Sache mit den Horoskopen gibt es auch wieder einen extra Beauftragten. Der kann – wenn zwei unbedingt heiraten möchten, es aber irgendwie nicht passt, wie es sollte, gewisse Rituale und Daten anordnen, denen es zu folgen gilt, damit aus der Ehe dann letztendlich doch noch ein Erfolg wird. Interessantes Konzept – manchmal frage ich mich, ob ich früher schon mal hier war :-)).

Die Engländer müssen hier viel an Kultur auch zerstört haben – die Inder hatten z.B. eines der fortschrittlichsten Schulsysteme überhaupt – kann mir das schon gut vorstellen. Selbst als sie von den muslimischen Moguln regiert wurden, hatten sie ja eine sehr wissensaffine Herrschaft. Das medizinische Wissen kommt ja vornehmlich aus Indien und dem Orient. Aber den Engländern lag nicht daran, die große Masse der Inder in ihrem stetigen Wissensdurst zu fördern. Intelligente Menschen sind viel schwieriger zu führen … überall das Gleiche …

Naja, genug philosophiert für heute – morgen muss ich fit sein. Aman hat parallel zu mir das Vergnügen und ihm graust es schon wieder mächtig vor seinem großen Vasti. Ich bin entspannt – hatte aber ja auch nur ein Drittel der Menge von ihm und durfte immerhin die Klotür zumachen :-)).