Tag 13: Ankunft in Haridwar
Hier sieht es ganz anders aus. Im Hintergrund die nebelumwobenen Berge, die Feuchtigkeit kommt nun von außen und erfreulicherweise mal nicht in Form von Schweiß. Auf der Fahrt mit dem Tuktuk zum Hotel sehen wir Pferde auf dem Highway rumrennen. Wie witzig ist das denn bitte? Kühe kannte ich ja schon, Hunde auch, aber Pferde?!




Selbst die Tuktuks sehen hier bisschen anders aus. Plüschiger irgendwie – hihihi.
Unser Aufenthalt in Haridwar hat ein oberstes Ziel: Gesundwerden. Wir buchen erst Mal nur zwei Nächte und behalten uns vor zu verlängern.
Unser Hotelzimmer hat keine 74qm wie in Booking.com beschrieben und die angekündigte Terrasse ist eine Gemeinschaftsterrasse und keine am Zimmer. Hm…
Nach unserer Nachtfahrt lassen wir es gaaanz ruhig angehen. Wir machen einen Spaziergang, aber unser Hotel ist nicht nur außerhalb, sondern inmitten einer Großbaustelle eines Highways. Mit dem Tuktuk fahren wir ins Zentrum und ich muss sagen, der einsetzende Regen ist einfach nur schön. Meine arg strapazierten Ledersandalen haben jetzt erst Mal für ein paar Tage Pause und meine Ipanemas sind nun dran. Perfekt für hier. Das Licht ist zum Fotografieren ganz fantastisch. Der ganze Ghat ist in ein ganz besonderes Licht getaucht.


Ein junger Mann spricht mich an und will offensichtlich, dass ich spende. Ich verstehe ihn nicht und gebe ihm das auch zu verstehen. Viji erklärt er dann, dass er Essen gemacht hat und wir das kaufen und an die Hungernden verschenken können. Das ist ja eine tolle Idee. Gefällt mir viel besser, als Geld zu geben. Wir kaufen Essen für 5 Personen und er bringt das auf einem Tablett, wo wir es dann persönlich an Menschen ausgeben. Das ist eine wirklich schöne Geste und so viel menschlicher und würdiger als beschämt Geld zu geben, um sich irgendwie weniger schuldig angesichts der Ungerechtigkeit im Einkommensgefälle zu fühlen. Viji hat eine kurze Diskussion mit einem arbeitstüchtig aussehenden Mann, der sich total angegriffen fühlt, als sie schnippisch fragt, was er in der Reihe der Hungernden zu suchen hat. Könne ja arbeiten. Er erzählt was von gestohlenem Handy oder so und dass sie nicht urteilen soll, wenn sie die Geschichte dahinter nicht kennt. Da muss ich ihm Recht geben. Ich war ja auch mal sehr schnell in meinen Bewertungen über andere. Da ich das aber als großen Schwachpunkt erkannt und intensiv daran gearbeitet hab, bin ich darin mittlerweile deutlich besser geworden. Mir fällt das aber erst heute so richtig auf in dieser Situation.
Natürlich bleibt es nicht dabei. Wie sonst auch überall fragen uns kleine Kinder, Menschen mit Behinderungen (@Kidist: Ich hab keine Ahnung, ob das jetzt die politisch korrekte Ausdrucksweise ist – wahrscheinlich tapp ich grad wieder in einen großen Fettnapf) und Ältere, die betteln. Obwohl ich mich schon als sehr weichherzig bezeichnen würde muss ich sagen, bin ich aber auch extrem anpassungsfähig. Was bedeutet, dass ich knallhart diesen leicht abwesenden Fernblick aufsetzen kann, mit dem ich an Menschen vorbeiblicke, als wäre ich in Gedanken ganz woanders – sehr wohl die ausgestreckte Hand sehend. Aber der Blick wirkt. Die Menschen lassen mich in Ruhe. Viji wünscht sich, im Lotto zu gewinnen, um wenigstens einen Tag lang allen Geld geben zu können. Ja, versteh ich. Würde ich auch gerne. Wir haben aber nicht im Lotto gewonnen und wir sind auf einem Budgettrip. Zumindest ich. Manchmal frage ich mich, ob Viji bereut, mit mir zu reisen. Aber sie kannte ja meine Reisebedingungen (viel sehen und erleben bei gleichzeitig minimalen Ausgaben). Und sie hat sich freiwillig bei mir eingeklinkt. Also lasse ich auch diesen Gedanken wieder los, denn ich mag mich nicht mit Dingen belasten, die nicht in meiner Hand liegen. Wir haben ja von vornherein ausgemacht, dass wir uns zeitweise trennen können, falls wir das Gefühl haben, dass es nötig wäre.
Aber nach 2 Wochen gemeinsamer Reise muss ich sagen, dass wir ein tolles Team sind bislang. Wir ziehen immer wieder die good cop, bad cop Nummer. Viji hasst es zu verhandeln, ich liebe es. Da sie aber Hindi spricht und ich nicht, machen wir vorher aus, was wir maximal bereit sind zu bezahlen (die Uber App hilft hier ungemein, weil wir damit immer eine Verhandlungsbasis haben) und dann setzen wir darunter an. Klappt ziemlich gut. Bei Tuktuks hilft es auch, wenn ich nicht in Sichtweite bin. Denn dann werden erst Mal indische Preise angesetzt.
Wir essen gekochte Kichererbsen als Salat am Ghat, die superlecker sind. Die Portionen in Indien sind wirklich winzig beim Streetfood, aber für mich genau richtig – aktuell sowieso noch. Was mir wirklich gut gefällt hier ist wie alles serviert wird. Bananenblatter und Holzspatel zum Essen und die Getränke kommen meistens in unbehandelten Lehmbechern, die danach weggeworfen werden. Erde zu Erde. Und damit gibt es Arbeit für die, die die Becher herstellen. Also wenn wir uns an Streetfood halten, dann produzieren wir relativ wenig Müll.


Als es anfängt zu regnen, kehren wir beim Curry Leaves ein, eine Kette, die Viji schon aus den Niederlanden kennt. Das Beste an diesem Aufenthalt ist die große Glasscheibe, vor der wir im ersten Stock sitzen und dem ganzen Treiben unten im Trockenen zuschauen können. Ich liebe das. Eigentlich bin ich ja der Stalker vor dem Herrn. Sonnenbrille auf, irgendwo hinsetzen und dann völlig ungeniert die Menschen beobachten. Ich liebe es einfach, Menschen zu beobachten. Und wenn ich sie nicht verstehe, dann trainiert das obendrein meine Wahrnehmung der nonverbalen Körpersignale. Es ist soo spannend.
Wir machen eine Pause über Mittag und schlafen beide. Auch Viji ist nicht ganz fit. Ich denke ja, dass ich sie angesteckt hab. Aber Gott sei Dank fiebert sie nicht.
Abends geht es in unserem Viertel zum Dinner und ich feier den Salat.

Lasse mich aktuell komplett von meinem Körper leiten. Was immer er braucht bekommt er. Und dazu jede Menge Schlaf.
Tag 14: Mit der Seilbahn zum Tempel auf den Berg und abends Arti
Es geht jeden Tag ein wenig besser. Heute wollen wir hoch auf den Berg. Der Tempel sah auf den Bildern total schön aus und ich finde es klasse, mit der Seilbahn zu fahren. Das Wetter: Total verregnet – also nicht ein wenig, sondern es schüttet wie aus Eimern.


Die Seilbahnfahrt ist toll – die Luft ist herrlich hier und die Aussicht auch – selbst wenn sie reichlich dunstig ist.
Von dem wunderschönen Tempel, auf dessen Architektur ich mich so gefreut hab, sehe ich garnichts. Wir werden direkt aus der Gondel heraus in die Reihe der Pilgernden eingeschleust und lassen uns mit der Masse mitschleusen. Das ganze Tempelbusiness scheint mir sehr florierend zu sein. Es ist unglaublich, was hier für Gelder ausgegeben werden für Opfergaben. Und für jeden Handschlag verlangen die Tempelwächter (jaaa, mir fällt grad kein passender Ausdruck ein) Kohle. Ein Typ sitzt an der Seite und bindet den Pilgernden eine rot-gelbe Schnur ums Handgelenk. Mir auch und dann streckt er die Hand aus. Da wir aber ein kleines Opferpaket gekauft haben, sag ich ihm, die Schnur ist da inklusive. Ich lass mich ja nicht über den Tisch ziehen. Muss dann auch nichts bezahlen. Auf alle Weiteren „Weihen“ verzichte ich, denn egal was, es gibt nichts umsonst. Der Tempel ist total unspektakulär, um nicht zu sagen hässlich. Am Ende wird man wie im Flughafen noch durch ein Restaurant geleitet zum Ausgang, damit man dort auch noch konsumiert.




Die Fahrt runter ist wieder super und wir machen erneut ein Päuschen.
Abends gehen wir zum Arti. Der Ganges hat eine irre Strömung. Deshalb wurden in einem abgegrenzten Bereich Ketten angebracht, so dass sich Badende daran festhalten können und nicht abgetrieben werden. Allerdings sieht es schon erst Mal gewöhnungbedürftig aus, wenn da Menschen an Ketten im Wasser hängen. Könnte auch ein Ausschnitt aus irgendeinem Kriegsfilm sein, in der Menschen gefoltert werden (Brücke am Kwai oder sowas).


Wir haben großes Glück, dass wir direkt auf den Stufen am Ganges sitzen und der Arti Zeremonie auf der gegenüberliegenden Seite zuschauen können. Die Stimmung hier ist sehr besonders finde ich. Sehr friedlich und ruhig und harmonisch. natürlich kommen wieder die Kids vorbei, die einem die Farbe auf die Stirn malen wollen und dieses Mal finde ich es auch irgendwie passend. Gefällt mir richtig gut:


Die Zeremonie kommt sowohl bei Viji als auch bei mir so viel besser an als in Varanasi, wo wir einfach nur geschwitzt haben.




Sehr entspannt und glücklich schlendern wir danach noch ein bisschen durch die Straßen und ich esse megaleckere Nudeln – natürlich in indischem Style. Keine Ahnung, warum es mich grad so nach Nudeln gelüstet, aber gut. Warum nicht?
Den Abschluss machen wir bei einem Lassi direkt bei uns am Hotel, wo Viji wieder ein angeregtes Gespräch mit einem der Jungs hat.


Er gibt uns den Tipp, statt mit Bus mit einem Tuktuk nach Rishikesh zu fahren, was nur eine halbe Stunde dauert. Bus ist zwar gebucht, aber wir beschließen, dass wir den einfach verfallen lassen und dem Tipp folgen werden. Sehr schön: Heißt auch länger schlafen morgen.
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