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Ich wache morgens quasi schon in Tränen auf. Muss mich echt zusammenreißen! Will Aman den Abschied nicht noch schwerer machen, als er ohnehin schon ist. Bei Vj war es auch schwer, aber da sie in Autoreichweite ist, ist es nicht ganz so dramatisch. Bei Aman ist das anders. Ob und wann wir uns wiedersehen, steht in den Sternen – und genau das macht es so unendlich traurig. Im Yoga kommt er wie immer zu spät und als er augenzwinkernd an mit vorbeiläuft auf seinen Platz, geht bei mir der Wasserhahn schon tröpfchenweise auf. Ich bin sooo voll von Trauer, ich hätte mich mal besser die Nacht über ausgeweint … In einem der Gitalieferungen war eine Karte von einem Guru mit einem schönen Spruch drauf drin und da ich genau weiß, dass ich später kein Wort rausbekomme, weil mir der Hals zugeschnürt ist, setze ich mich hin und schreibe Aman ein paar Zeilen. Außerdem ergänze ich das Fotoalbum um einige weitere Seiten, die sich seit der ersten Version noch ergeben haben. Denke, da wird er sich riesig drüber freuen :-).

Das Mittagessen gibt es wieder nicht im Yogaraum – denke, mit unserem Weggang stirbt auch der gemeinsame Lunch wieder aus. Schade eigentlich…

Ich lerne meine neue Nachbarin kennen, Louise aus Kanada, die eine Freundin von Tamilla ist. Sehr sehr liebe Frau, die vorhat für ein Jahr oder auch länger in Indien zu bleiben. Mal hier, mal dort. Irgendwie beneide ich sie um diese Freiheit.

Nachmittags packt Aman und zieht vorübergehend mit Sack und Pack bei mir ein, weil sein Zimmer schon für die nächsten Gäste hergerichtet werden muss. Wir reden wieder über Gott und die Welt, aber unterschwellig fürchten wir uns schon sehr vor dem Abschied.

Tamilla hat angeboten, eine Yoga Nidra Session zu machen und diese dann extra auf 16:30 Uhr gelegt, so dass Aman noch mitmachen kann.

Wir kommen mit Kopfkissen und Decke bewaffnet im Yogaraum an und dürfen dann 40 Minuten einer meditativen Entspannungsübung genießen. Sie hat eine schöne Stimme und wir sind alle hellauf begeistert, dass sie das nun jeden Tag anbieten wird.

Nach der Session gibt es noch mit den Teilnehmern ein Selfie, bevor es zum wartenden Tuktuk geht:



Ich wollte mich eigentlich im Zimmer verabschieden und garnicht mit vorkommen, aber dann begleite ich Aman doch auf seiner Verabschiedungstour. Alle sind recht mitleidig mit uns beiden, weil es ist, als würde man Zwillinge trennen. So muss sich das anfühlen. Als sich alle verabschiedet haben, ist der gefürchtete Augenblick auch für mich gekommen und ich bringe kein Wort raus. Wenn mir einer gesagt hätte, dass ich so an einem Menschen hängen würde nach so kurzer Zeit, den hätte ich für verrückt erklärt! Aman ist deutlich besser im Fassung bewahren als ich. Jayasree, Vipula und Kunut nehmen sich meiner an und nach kurzer Zeit sind wir wieder am Lachen.

Traurig gehe ich zurück in mein Zimmer und versende das Fotobuch. Auch an VJ, die sich auch darüber freut :-). Abschiede sind einfach schrecklich. Bin froh, dass ich Aman die Karte geschrieben und heimlich in seine Laptoptasche gesteckt hab ;-). VJ hatte ich auch eine geschrieben und sie ihr mitsamt meinem Fächer geschenkt, weil sie immer so schnell schwitzt.

Abends bietet Tamilla eine Chantingsession an, an der zunächst nur Claudia und ich teilnehmen. Sie singt ein Mantra vor und wir dürfen nachsingen. Da es auf Sanskrit ist, kann ich mir die Worte unmöglich merken. Brauche sowas immer geschrieben vor mir. Es geht so einigermaßen und irgendwann gesellt sich noch Layla dazu. Zum Schluss chanten wir einfach auf Om – das ist doch deutlich einfacher :-). Nach rund 10 Minuten gemeinsamem Chantens gehen wir in unsere Zimmer und ich chatte noch eine ganze Weile mit Aman, der mittlerweile im Zug sitzt und mir auch etwas sehr Rührendes zusammengeschrieben und gesendet hat. Bin ich froh, dass es WhatsApp gibt :-). Die Welt schrumpft dadurch doch deutlich. Das Fotoalbum hat er nicht runterladen können, weil er so eine schlechte Verbindung im Zug hat. Na, dann muss er sich für seine Überraschung halt noch gedulden ;-).