Seite wählen

Gestern schon erstmalig die Schlummertaste gedrückt, heute dann direkt auf Stop – nach knapp 6 Stunden Schlaf bin ich hundemüde. Um 6:21 Uhr werde ich wieder wach und eile gerade noch so halbwegs pünktlich ins Yoga. Das muss echt aufhören! Heute noch der Ausflug mit Rachel – weil es ihr letztmöglicher Tag ist um Geschenke für ihre Familie einzukaufen – und dann hat die Fortgeherei mal ein Ende. Wobei es nicht Fortgeherei ist sondern das allzu lange Zusammensitzen nach dem Abendessen. Ich muss da mal eine Uhrzeit für mich einführen. Werde mir den Wecker ab sofort auf 21 Uhr stellen und dann passt das so mit 21:30 – 22 Uhr schlafen ;-).

Shibu ist morgen nicht da und dann darf ich die Yogastunde leiten – also leiten ist übertrieben: Der Laptop mit Shibu online steht vorne und nur weil es in den hinteren Reihen schlecht zu hören ist, sagt einer vorne halt an. Will jetzt nicht übertreiben hier mit meiner Pflicht :-)))). Aber ich muss halt echt pünktlich sein, um alles mit Licht und Dija und Räucherstäbchen vorzubereiten. Technik macht ja Gott sei Dank Aman.

Der Morgen vergeht wieder wie im Flug und beim Mittagessen haben wir einen Ausfall. Wir sind gerade am Erzählen von frittierten Vogelspinnen in Kambodscha und ich erzähle, dass ich schon mal Maden und Grashüpfer probiert habe – nicht roh natürlich! Ich glaube Vali und Jörg hatten die mal zu einem Fest mitgebracht und probiert haben wollte ich das selbst als Vegetarierin mal ;-). Und wenn man nicht wissen würde, was es ist, wäre es überhaupt kein Problem. War es für mich auch so nicht. Denke mir immer, es ist gut zu wissen, womit man überleben könnte im Ernstfall. Aktuell haben die Grashüpfer in unserem Garten aber noch Schonfrist :-).

Auf jeden Fall verlässt Fred, der neben mir sitzt und dem es heute nicht gut geht (hatte ihm das schon angesehen und ihn gefragt zu Anfang des Mittagessens) den Yogaraum, gefolgt von Sandrine. Ich fühle mich ein bisschen schuldig, weil ich nicht weiß, ob wir ihm den Appetit verdorben haben. Als wir dann aber zurückgehen in unsere Zimmer sehen wir, dass es doch was anderes sein muss. Alle Ärzte und auch einige der Therapisten sind schwer um ihm bemüht und er sieht nicht gut aus, wie er da so sitzt. Abends bekomme ich eine Meldung von Sandrine, dass er eine schwere Unterzuckerung mit einem Wert von nur 0,2 hatte – ach du grüne Neune! Na da wird er ab heute sicherlich einiges mehr an Essen bekommen, als bisher. Ist eh ganz dünn und groß und als Franzose gutes Essen gewohnt. Das hier muss rein essenstechnisch wahrscheinlich ein ziemlicher Horror für ihn sein – ist aber nur meine Vermutung, wenn ich sein Gesicht beim Essen sehe :-))).

Wir hatten uns nach der gestrigen Autodiskussion und Feilscherei ja darauf geeinigt, dass wir heute mit dem Tuktuk nach Trivandrum fahren. Elisa hält uns für verrückt, weil das laut ihrer Rechnung mindestens eine Stunde dauert. Sowohl Rachel, als auch VJ und ich fahren aber lieber im offenen Tuktuk rum als im eisgekühlten Auto – also ist Aman so nett, für uns bei Arun anzurufen, den wir ja schon als Tuktukfahrer nach Pothencode hatten. Die Feilscherei geht am Telefon wieder los und Arun legt irgendwann einfach auf – der Preis war also eindeutig zu niedrig, den Aman ihm genannt hatte. Ich hätte ja garnicht mehr angerufen, aber Aman kennt da nix. Wieder angerufen und sie einigen sich auf 1200 INR – 14 Uhr hier abholen nach Trivandrum, dort warten und uns zurückbringen.

14 Uhr sind wir drei bereit für unseren ersten Trip in eine große Stadt hier …. allein Arun fehlt…. zu VJ, die ihn anruft sagt er es würde später werden und als sie fragt wieviel später, legt er wieder einfach auf. Er war eigentlich so nett – weiß garnicht, warum er heute so komisch drauf ist…

Wir beschließen, dass wir unser Glück selbst an der Kreuzung unten versuchen. Hier gibt es doch überall Tuktuks. Unser Plan ist ähnlich wie gestern. VJ geht vor und Rachel und ich laufen in weiter Entfernung hinter ihr her, so dass – als sie mit einem Fahrer verhandelt – garnicht klar ist, dass wir zusammengehören. Sie handelt auch nicht. Der alte Herr möchte 1200 INR und das ist fein so. Ab geht die Fahrt und man stelle sich vor: Nach 30 Minuten sind wir in Trivandrum – inklusive ein paar Kommentare von ihm zu Sehenswürdigkeiten rechts und links – super lieb!

Erster Stop ist wieder Trends weil Rachel dort ja indische Klamotten für einen Teil ihrer Kids kaufen will. VJ und ich wollen eigentlich in einen Buchladen und machen uns zu Fuß auf den Weg. Wir verabreden, dass wir Rachel hier wieder abholen, der Fahrer bleibt auch dort.

Meine Güte, ist hier was los! Die Tore der Schulen öffnen sich gerade und Hunderte von Schülern strömen aus den Eingängen – und wir natürlich gegen den Strom. Als ein Polizist mich grüßt, meint VJ, es sei nach so vielen Jahren Kolonialisierung echt traurig zu sehen, wie die Obrigkeiten immer noch auf Europäer reagieren. Ich frage sie, warum? Sind alle total freundlich, lächeln mich an und ich grüße und die grüßen – wo ist denn das Problem? Ist in Bad Schönborn ja nicht anders. Sie macht mich darauf aufmerksam, dass der Polizist fast wie salutiert hat – hä? Hab ich garnicht so gesehen, dachte der grüßt halt und hab ihn lächelnd zurückgegrüßt. Sie meint, alle würden mich anschauen und winken, weil ich Europäerin bin. Ich weiß, was sie meint. Sie läuft ja hinter mir. Ich hatte exakt die gleiche Situation als ich mit Jenny in Marrakesch war und hinter ihr durch die engen Bazare gelaufen bin. Alle Augen waren auf sie gerichtet – das kann man von hinten viel besser beobachten, als wenn man selbst das Objekt der Neugierde ist. Bin froh, dass ich mit meiner langen Pumphose und meinem normalen T-Shirt dezent und der Situation angemessen gekleidet bin ;-). Erst jetzt fällt mir auch auf, dass es wirklich KEINE hellhäutigen Europäer hier gibt. Versteh ich irgendwie nicht. Kerala als DAS Ayurvedazentrum der Welt – da müssen doch Touris sein ohne Ende, oder? Ja schon … aber die werden von ihren Taxis in den großen Malls abgesetzt und latschen nicht durch die einheimischen Viertel von Trivandrum. Malls hab ich auch in Deutschland – auf sowas hab ich ja mal gar keinen Bock!

Interessant ist immer das Überqueren der Straßen. Es ist eine große Straße, jeweils zweispurig (sagen wir mal mehrspurig genutzt mit all den Tuktuks und Rollern und Autos) und unser Buchladen lässt sich nicht auffinden. Jeder sagt uns was anderes und wir müssen mehrmals rüber und hinüber. VJ ist sehr vorsichtig, aber ich hab festgestellt, dass es am wirkungsvollsten ist, wenn ich sie an die Hand nehme, einfach einen Schritt auf die Straße mache, die Hand zum Stop in Richtung der ganzen anrollenden Fahrzeuge mache und den Verkehr dann nur noch aus dem Augenwinkel beobachte und eher Richtung vorne schaue – natürlich passe ich total auf, aber die Fahrzeuge können das nicht wissen und gehen davon aus, dass sie mich über den Haufen fahren, wenn sie nicht bremsen, weil ich sie ja scheinbar nicht sehe. Ist frech, aber anders ist dem Chaos nicht beizukommen – sehr gute Taktik :-))). Ich sage VJ, dass man beim Überqueren der Straße einfach ein bisschen ignorant sein muss, sie erklärt mir aber, dass die Autos nur meinetwegen (Europäerin) stoppen. Sie hätten sie einfach über den Haufen gefahren. Ich kann das nicht glauben, aber am Ende ist es auch egal, warum. Hauptsache, wir kommen rüber.

In der Zwischenzeit öffnet sich der Himmel und wir suchen Zuflucht in einem kleineren einheimischen Shoppingcenter. Hier wird man immer gefragt, wo man her kommt und es ist erstaunlich, was die Leute dann doch so alles mit Deutschland assoziieren oder was sie wissen. Dass wir eine Kanzlerin und jetzt einen Kanzler haben und sowas – nicht schlecht Herr Specht. Alle wie immer sehr freundlich, obwohl wir nichts kaufen.

Unser Buchladen, den wir endlich finden und der OM Books heißt entpuppt sich als Shop für rein christliche Literatur. Och neee …. daneben gibt es ein Café das Chai-Time heißt, aber da wir ja eh nix auswärts essen dürfen und wir außerdem zurück zu Rachel müssen, lassen wir das sein. Das Thema Buchladen hat sich für heute wohl erledigt.

Perfektes Timing: Als wir schließlich beim Trends ankommen, sitzt Rachel seit 2 Minuten im Tuktuk – jetzt aber nix wie auf den Markt. Es soll einen großen Gewürzmarkt geben hier. Bei 3 vollen Gewürzschubladen zuhause brauch ich ja eigentlich nichts, aber Gewürze sind einfach himmlich :-)). Unser Fahrer setzt uns vor einer Straße mit tausenden von kleinen Läden ab – die müssen wir durchlaufen und dann sind wir bei den Gewürzen. Ich darf euch sagen: Wir haben nicht ein Gewürz gesehen heute – zu verlockend all die kleinen Shops. Und ich freue mich wie Bolle, als wir an einer Ecke einen Chaiverkäufer sehen, der sehr sehenswert Oden Tee zubereitet. Ich frage, ob ich ihn bei der Zubereitung filmen darf und das finden alle ziemlich lustig, aber ich darf :-))). Ohne Zucker fehlt zwar ein bisschen was, aber wir halten uns wie immer tapfer an unsere Diät ;-).

Rachel findet noch mehr Stoffe und ich endlich die Schüsselchen, die ich schon immer haben wollte. Diese kleinen Schüsselchen mit Henkel, die es bei uns in indischen Restaurants immer gibt für das Curry und den Reis. Auch VJ ersteht etwas für ihre Opferecke zuhause und wir sind happy. Dass der Himmel nochmals alle Schleusen öffnet, ist uns egal, denn der Verkäufer – für den wahrscheinlich Weihnachten und Neujahr zugleich war – ruft unseren Fahrer an und der holt uns direkt vor der Türe ab. Sehr schön!

Heute soll es kein Drama um die Bezahlerei geben und wir beschließen – weil es auch später als geworden ist als vereinbart – dass wir ihm statt der 1200 INR 1800 INR geben. Er bringt uns auch im Ayurmana bis vors Loch und ist ganz happy. Insbesondere als wir ihm sagen, dass wir seine Nummer weitergeben werden an andere Gäste. SOOO gefällt mir ein Tagesabschluss – ganz anders als gestern, wo ich mir noch ewig Gedanken um den armen Taxifahrer gemacht hab ;-)).

Ich esse noch kurz meine Spinatsuppe und das gedämpfte Gemüse und gehe dann ins Bett. Bin echt groggy und habe einiges an Schlaf nachzuholen. Die Terrassen-Plauschrunde muss heute leider ausfallen. Morgen früh ist Yoga und da will ich pünktlich sein.